Vor einigen Monaten wollte ich meinen Facebook-Ausstieg beginnen.
Aus Gründen.
Hat aber nicht funktioniert.
Ebenfalls aus Gründen. Allerdings aus Anderen.
Viele meiner Freunde sind auf Facebook registriert. Ich schätze, es sind so etwa 80 – 90%. Vermutlich bin ich auch gar nicht mit allen auf Facebook befreundet die dort registriert sind. Andererseits zähle ich aber auch nicht alle 235 Leute, die sich derzeit in meiner Friendlist befinden, zu meinen Freunden.
In meiner Friendlist finden sich Menschen aus den unterschiedlichsten Zusammenhängen: Einen sehr großen Teil machen ehemalige Kommilitonen aus. Teilweise überschneiden sich diese mit Freunden und Bekannten aus einem Verein in dem ich aktiv bin und der einen (großen?) Teil seiner internen (und externen?) Kommunikation über Facebook organisiert. Ein weiterer Teil meiner „Friendlist-Bewohner“ sind aktuelle und ehemalig Arbeitskollegen sowie Freunde aus anderen Zusammenhängen, Familienmitglieder oder auch mehr oder weniger flüchtige aber interessante Bekanntschaften aus den unterschiedlichsten Ecken meines Lebens. Meine eigenen Schüler finden sich (natürlich) nicht in meiner Friendlist.
Alles in Allem kenne ich alle Leute auf meiner Friendlist persönlich und habe ein gewisses Interesse daran, den Kontakt zu ihnen zumindest bei Gelegenheit wieder intensivieren zu können.
Facebook nutze ich zum Kommunizieren. Hauptsächlich nutze ich den Chat, meistens allerdings über Adium, einem Programm mit dem ich unabhängig vom Browser mit Leuten schreiben kann. Frei nach Max Raabe kann ich sagen: Solange ich bei Facebook wohn‘, ist es fast wie Hohn, schweigt das Telefon…
Nur mit meiner Familie, die zum großen Teil nicht auf Facebook ist, telefoniere ich noch über das Festnetz.
Außerdem lese (oder überfliege) ich den Nachrichtenstrom den meine Friendlist produziert. Gelegentlich interagiere ich mit den Beiträgen. Manchmal teile ich meiner Friendlist auch mit, welche Banalitäten mir gerade durch den Kopf gehen oder welcher Zeitungs- oder Blogartikel mich gerade beschäftigt. Außerdem schaue ich mir gerne Fotos von Freunden an – besonders UrlaubsbilderAls ich klein war habe ich gelegentlich mit meiner Familie Dias von gemeinsamen Reisen angeschaut.
Zuerst wurde die Leinwand aufgebaut, dann der Diaprojektor. Der Projektor war damals schon so alt, dass er einen ganz eigentümlichen Geruch verströmte. Habe ihn noch in der Nase. Tolle Erinnerungen… Wenn ich großes Glück hatte, wurde außerdem noch das Crêpes-Eisen aufgebaut. Das alles war immer ein riesiger Aufwand. Dementsprechend selten – und besonders – war es, Urlaubsfotos zu betrachten.
Ein Genuss, der uns irgendwie abhanden gekommen ist..
Die Hauptgründe, wieso ich Facebook nutze sind folgende:
- Ich interessiere mich dafür, was meine Freunde gerade bewegt.
- Ich möchte möglichst vielen Leuten mitteilen, was mir wichtig erscheint.
- Ich möchte unkompliziert mit Freunden Kontakt halten.
Mein größtes Problem mit Facebook lässt sich in einem Satz zusammenfassen:
„If you’re not paying for it, you’re not the customer. You’re the product.“
„Wenn du für etwas nicht zahlst, dann bist du nicht der Kunde. Du bist das Produkt.“
Andrew Lewis
Neben Facebook nutze ich noch ein anderes Netzwerk: Twitter. Bei den meisten meiner Freunde treffe ich damit auf völliges Unverständnis. Einige Leute – auch Leute von meiner Facebook-Friendlist – belächeln mich deswegen.
Twitter erfüllt für mich aber völlig andere Funktionen als Facebook.
Es fängt damit an, dass ich die wenigsten Leute, denen ich auf Twitter folgeFolgen bedeutet – in die Sprache von Facebook übersetzt – etwa den Nachrichtenstrom einer Person zu beziehen. Anders als bei Facebook muss das keine zweiseitige Beziehung sein. Der jeweils andere erfährt zwar, dass ich ihm jetzt folge, ob er mir aber ebenfalls folgen möchte entscheidet er gewöhnlich in Abhängigkeit davon, ob ihn meine Nachrichten interessieren oder nicht., persönlich kenne. Eine Nachricht wird auf Twitter als Tweet bezeichnet und ist maximal 140 Zeichen lang.
Das Kriterium, jemandem zu folgen ist auf Twitter also in erster Linie nicht „ich kenne Dich!“ oder „ich bin mit Dir befreundet!“, sondern „Deine Meinungen / Ansichten / Nachrichten interessieren mich!“ – also inhaltlicher Art.
Das macht Twitter für mich interessant.
Sobald ich feststelle, dass die Nachrichten eines Twitterers mich eher langweilen, entfolge ich ihn. Natürlich gibt es aber auch private Anekdoten und Geschichten die interessant oder amüsant sind. Wenn diese aber Überhand nehmen oder ein Nutzer extrem häufig schreibt, fängt er an mich zu nerven.
Im Gegenzug bemühe ich mich, interessante & unterhaltsame Tweets zu schreiben.
Jede Nachricht ist natürlich immer nur für bestimmte Leute interessant. Mich interessieren z.B. vor Allem Nachrichten aus den Bereichen Politik (Bildung, Freiheit, BGE), Schulentwicklung, Bildung, Kreativität, Design, Kommunikationstechnologie, Architektur etc.
Daher folge ich hauptsächlich Leuten mit ähnlichen Interessen – aber mit unterschiedlichen Ansichten.
Stosse ich irgendwo auf eine interessante Information – z.B. einen Blogartikel, so twittere ich einen Link dazu, zusammen mit einem kurzen, persönlichen Kommentar, warum ich die Information relevant finde. Oder mir gefällt der Tweet eines anderen Twitterers so sehr, dass ich ihn an meine FollowerFollower sind die Leute die mir auf Twitter folgen – also meinen Nachrichtenstrom empfangen. weiterleiteTwitterer nennen das dann einen Retweet. Meine Follower werden dann auf den ursprünglichen Autor aufmerksam und können entscheiden, ob sie ihm auch folgen möchten.. Die Information kann aber auch ein Gedanke sein oder eine Idee, die mir gerade durch den Kopf geht. Dazu gibt es dann – in der Regel – keinen Link. Ich gebe meinen Followern aber die Möglichkeit, diese Information ebenfalls zu verarbeiten oder mir ihre Sicht dazu mitzuteilen.
Twitter ist also ein interaktiver Nachrichtenfilter.
Der Unterschied zu den Nachrichtenfiltern die in den Redaktionen der Fernseh- und Zeitungsredaktionen aber auch bei FacebookEs gab vor einiger Zeit Aufregung darüber, dass Facebook den Nachrichtenstrom der einem Nutzer angezeigt wird filtert. Wie der Filter genau funktioniert ist nicht bekannt. Je mehr ich aber mit einer Person bei Facebook interagiere, desto wahrscheinlicher ist es, dass ich eine Nachricht von dieser Person angezeigt bekomme.
Kurz darauf war es dann möglich auch manuell einzustellen, ob ich von einer Person alle, nur die wichtigsten (wonach das auch immer entschieden wird) oder gar keine Nachrichten sehen möchte. arbeiten ist, dass ich ihn selbst einstellen kann – und muss.
Der Nachrichtenstrom auf Twitter ist in der Regel so groß, dass es mir gar nicht möglich ist, ihn komplett zu verfolgen. Daher lese ich immer nur bei Gelegenheit – z.B. im Bus – die Tweets der letzten Stunden.
Der eigene Nachrichtenstrom auf Twitter ist per Standardeinstellung komplett öffentlich. Ich habe aber die Möglichkeit einzelnen Leuten eine private Nachricht zu senden, die dann nur von ihm empfangen wird. Außerdem könnte ich meinen Nachrichtenstrom auch privatisieren. Dann müsste ich jedem neuen Follower erst gestatten, meinen Nachrichtenstrom zu empfangen bevor er ihn lesen könnte.
Twitter kann manche Dinge nicht – oder nicht so gut wie Facebook:
- Twitter bietet keine Chat-Funktion. Twitter ist aber auch kein Chat.
- Twitter bietet kine Möglichkeit, eine Nachricht (z.B.eine Einladung) nur an ausgewählte Follower zu senden.
- Twitter zeigt mir nicht an, wer gerade online ist.
- Twitter hat weder einen Like-Button noch einen Dislike-Button.
- Twitter bietet kein Tool um Veranstaltungen zu erstellen.
- Twitter ist weniger intuitiv zu nutzen als Facebook.
- Twitter sagt mir nicht wann Leute denen ich folge Geburtstag haben.
- Twitter hat weniger Nutzer als Facebook.
Trotzdem ziehe ich Twitter Facebook generell vor. Der Grund dafür ist einfach:
- Mein Twitter enthält relevantere Informationen.
Weitere Alternativen
Es gibt neben Twitter viele Dienste, die einige der Funktionen die Facebook bietet ersetzen können. Ich stelle hier kurz einige vor, die ich selbst nutze – teilweise mit Links zu meinem dortigen Profil:
- Fotos die ich Freunden online zeigen möchte lade ich bei flickr.com hoch. Dort treffe ich die Entscheidung, ob die Bilder in meinem Eigentum bleiben oder ob ich sie unter einer freien Lizenz veröffentlichen möchte. An einem Bild das ich bei Facebook hochlade gewinnt Facebook sofort alle Rechte (Wie bei allen anderen Inhalten auch). Im Prinzip kann ich froh sein, dass ich es auf Facebook noch gebührenfrei betrachten darf.
Auch Twitter bietet die Möglichkeit Bilder direkt hoch zu laden. Allerdings gehen die Bildrechte dann ebenfalls an Twitter über. - Zum Chatten nutze ich das Programm Adium. Eine Alternative für Windows oder Linux stellt das Programm Pidgin dar. Beide funktionieren mit vielen Chat-Protokollen, darunter Facebook-ChatViele Leute wissen gar nicht, dass Facebook prinzipiell auch die Rechte an allen privaten Nachrichten die über ihr Netzwerk laufen erhält. Eine Verschlüsselung ist nicht (ohne weiteres) Möglich., ICQDen ICQ-Chat kann ich mit Adium ganz einfach verschlüsseln. Wenn beide Nutzer die Verschlüsselungsfunktion nutzen, bleibt das Gespräch nicht nur privat, der Dienstanbieter kann – wenn die Verschlüsselung richtig eingerichtet ist – die Kommunikation auch nicht abhören., Google-Chat etc.
- Wenn ich mit mehreren Leuten gleichzeitig kommunizieren möchte, mache ich das häufig per WhatsApp. Leider hat aber nicht jeder ein Smartphone – und ich kann es (noch) nicht über den Computer nutzen.
- Außerdem gibt es etliche ergänzende Tools, die Funktionen zu Twitter hinzufügen können. Beispiele hierfür sind Foursquare.com, Runkeeper oder Bilderdienste wie das oben bereits erwähnt flickr.com.
- Außerdem gibt es einige andere Soziale Netzwerke wie Google+ oder Diaspora. Letzteres ist etwas besonderesDer Diaspora kann man beitreten indem man sich auf einem existierenden Server registriert.
Es ist aber eben so gut möglich, seinen eigenen Server zu eröffnen. Die Voraussetzungen dafür sind aber ein gewisses Nerd-Fachwissen, eigener Serverspace und Zeit & Nerven für die Installation.
Im Falle eines eigenen Servers hält der Nutzer nicht nur die Rechte an den eingestellten Inhalten selbst, auch – in einem gewissen Rahmen – die Kontrolle über die von ihm hochgeladenen Inhalte liegt in seiner Hand., da es sich um ein Open Source-Projekt handelt bei dem die Wahrung der Nutzerrechte im Vordergrund stehen.
Fazit
Facebook ist bequem & und „jeder“ nutzt es.
Rechte der Nutzer sind praktisch nicht vorhanden.
Das nehmen aber alle billigend (oder ahnungslos) in Kauf.
Alternativen erfordern derzeit immer noch etwas Einarbeitung.
Das größere Problem ist aber, dass viele der alternativen Netzwerke derzeit noch ziemlich unterbevölkert sind – und ohne Freunde ist das schönste Soziale Netzwerk wertlos.
Über Kurz oder Lang werden freie Alternativen wie Diaspora aber an Bedeutung gewinnen. Viele Nutzer werden sich hoffentlich bald über die Bedeutung ihrer Daten & den Rechten daran bewusst und findet Alternativen bei denen die eigenen Rechte gewahrt werden (Diaspora) oder die Inhalte zumindest so transparent öffentlich sind wie es bei Twitter der Fall ist.
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