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von Hitzköpfen und Verlierern

Es wird gerade viel über ein Leistungsschutzrecht (#LSR) für Presseverlage diskutiert. Da mir dieses Thema nicht sehr leicht zugänglich war habe ich mich eingehender damit auseinander gesetzt. Ich habe weiter unten grundsätzliche Informationen über Leistungsschutzrechte, die geplante Gesetzesänderung zum LSR, E-Petitionen und Ungeschicklichkeiten zusammen gestellt.

Was ist eigentlich dieses Leistungsschutzrecht?

Ich muss wohl etwas ausholen um das Leistungsschutzrecht verständlich zu erklären.
In Deutschland schützt das Urheberrecht persönliche, geistige Schöpfungen der Kunst. Diese werden als „Werke“ bezeichnet. Als Werke gelten aber nur solche Erzeugnisse, die eine gewisse Schöpfungshöhe aufweisen. Die Schöpfungshöhe wird vom Gesetzgeber wiederum über die Individualität der Schöpfung definiert; der Ausdruck der Persönlichkeit des Schöpfers muss in dem Erzeugnis erkennbar sein.

Nun ist es unbestreitbar, dass beispielsweise ein Roman den beschriebenen Anforderungen genügt und somit als Werk bezeichnet werden muss – unabhängig von der subjektiv empfundenen Qualität des Textes – da die Persönlichkeit des Autors ja in dem Text zum Ausdruck kommt.
Bei anderen Textgattungen ist dies hingegen nicht unbedingt der Fall – auf eine Wohnungsannonce wird diese Definition kaum zutreffen.

Der Gesetzgeber sieht allerdings für bestimmte Erzeugnisse – die eben keine besondere Schöpfungshöhe aufweisen – ebenfalls einen Schutz vor. Diese Werden als (dem Urheberrecht) verwandte Schutzrechte oder auch Leistungsschutzrechte zusammen gefasst.
Es gibt Leistungsschutzrechte zum Beispiel für Lichtbilder (im Gegensatz zu Lichtbildwerken die sich durch eine künstlerische Schöpfungshöhe auszeichnen), für Hersteller von Tonträgern, Datenbanken, für ausübende Künstler und Andere.

Welche Gesetzesänderung ist geplant?

Für Presseverlage gibt es derzeit kein gesondertes Leistungsschutzrecht. Die Regierungskoalition aus CDU/CSU & FDP hat das in ihrem Koalitionsvertrag allerdings vorgesehen. Ein entsprechender Gesetzentwurf findet sich beim Bundesministerium der Justiz. Das Ziel dieses Gesetzentwurfs ist es, Presseerzeugnisse im Internet besser zu schützen.

Explizit bezieht sich die geplante Gesetzesänderung auch auf kleine Teile eines Presseerzeugnisses – allerdings nur, wenn diese von einer Suchmaschine oder einem entsprechendem gewerblichen Dienst dargestellt werden. Andere Wirtschaftsunternehmen oder Blogger sind davon explizit ausgenommen. Was aber ein „einer Suchmaschine entsprechender gewerblicher Dienst“ ist wird in dem Gesetzentwurf nicht näher erläutert.

Warum kann man die geplante Gesetzesänderung blöd finden?

Nun kann man Pressetexte sicherlich im Einzelfall unterschiedlich bewerten. Vielen wird man gewiss eine Schöpfungshöhe zusprechen können – damit fallen sie unter das Urheberrecht und sind bereits geschützt, anderen (wenigen) kann man diese Schöpfungshöhe eher nicht zusprechen. In so fern ist die Forderung nach einem Schutz von Presseerzeugnissen zumindest nachvollziehbar.

Bei genauerem Hinsehen ergibt sich allerdings eine weitere Frage.
Der Gesetzentwurf ist so formuliert, dass er im Wesentlichen Presseverlagen das Recht einräumt, für die Verwendung ihrer Inhalte durch Suchmaschinen Gebühren zu erheben. Das klingt erst einmal vollkommen schlüssig. Suchmaschinen (in den meisten Fällen wird hiermit wohl Google gemeint sein) platzieren neben ihren Suchergebnissen meistens Werbung und verdienen dadurch Geld. Da scheint es nur gerechtfertigt, die Parteien an den Einnahmen zu beteiligen, die die gezeigten Textinhalte erzeugt haben.

Wer verliert?

Allerdings macht Google im Grunde zwei Dinge:
Zum einen durchsucht es das Internet, sortiert dieses entsprechend der Suchanfrage des Seitenbesuchers (und anderen Kriterien) und bietet diesem eine Auswahl passender Verweise.
Zum Anderen zeigt es Text- und manchmal auch Bildauszüge von den verlinkten Seiten.
Erscheinen diese Textauszüge vielversprechend, besucht der geneigte Besucher die verlinkte Seite.

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Dafür, dass Besucher auf die eigene Seite gelockt werden geben viele Unternehmen viel Geld aus. Diese Konzept ist gemeinhin unter dem Stichwort Werbung bekannt. Damit macht Google den größten Teil seines Umsatzes. Aus Sicht von Google stellt der Textauszug sicherlich eine gewisse Werbung für die verlinkte Seite dar. Kostenlos wohlgemerkt.

Denken wir die Situation einmal zu Ende:
Presseverlage verlangen Gebühren für die Wiedergabe dieser Textauszüge.
Am Beispiel des Gema-Gebührenstreits ist abzusehen, wie Google voraussichtlich auf diese Forderung reagieren wird.

Es wird also nicht darauf hinaus laufen, dass Google seine Werbeeinnahmen mit den Zeitungsverlagen teilt. Vielmehr wird Google die Textauszüge bei Verlinkungen auf die Presseverlage, die Gebühren fordern, abschalten. Die Folge wird sein, dass diese Verlagshäuser weniger Besucher auf ihren Seiten verzeichnen.
Weniger Besucher führen zu sinkenden Werbeeinnahmen und das führt ohne entsprechende Alternative Einnahmemodelle zu weniger Gewinn. Das Gegenteil dessen, was mit dem Gesetzentwurf erreicht werden sollte, wird erreicht.
Ein Kern des Problems ist, dass Verlage (wie viele andere Branchen auch) die Möglichkeiten des Internets verschlafen oder unterschätzt haben. Auf vielen Verlagsseiten ist geschaltete Werbung die einzige Einnahmequelle. Paid-Content? alternative Zahlungsformen? Sucht man oft vergeblich.

Für den Suchmaschinennutzer ergibt sich ebenfalls einige Konsequenzen: Die Suchergebnisse sind weniger aufschlussreich, die Qualität der Suchergebnisse leidet. Die einfache Zugänglichkeit zur Meinungsvielfalt wird erschwert.

Manche kleine Suchmaschine wird darin evtl. eine Chance sehen, sich gegenüber Google zu profilieren. Ob die Nutzer (und Werbekunden) sich in Scharen entsprechenden Suchmaschinen zuwenden werden zweifele ich allerdings anMeine Einschätzung basiert auf der subjektiven Beobachtung von Surfgewohnheiten – bis sich ein neuer Browser durchgesetzt hat dauert es Ewigkeiten. Einen neuen E-Mail-Provider zu verwenden stellt für viele ein schier unüberwindbares Hindernis dar. Warum sollte es bei Suchmaschinen leichter fallen, gewohnte Handlungsmuster zu durchbrechen?.

Cui bono?

Wem nützt’s? Eine berechtigte Frage. Offensichtlich den Presseverlagen. Zumindest auf den ersten Blick. Bei genauerem Hinsehen scheint es diesen aber durch Rückgang der Besucherzahlen auch eher zu schaden – obwohl Christoph Keese, der sich selbst gerne als Mitinitiator des Gesetzentwurfs sieht, mit an der Spitze des Springer-Konzerns steht.

Was hat es jetzt mit dieser komischen E-Petition auf sich?

Es gibt eine Reihe von Parteien und Organisationen, die sich gegen die Einführung eines Leistungsschutzrechtes für Presseverleger aussprechen. Neben der IGEL, einer Initiative von Netz-Aktiven hat sich gerade eine Interessenvertretung kleinerer Web-Firmen unter dem Namen Adiz.org zusammen gefunden die vor allem wirtschaftliche Schäden durch die Gesetzesänderung befürchten.

Ungeschickt

Mehr oderweniger unabhängig davon hat Bruno KrammBeauftragte für das Urheberrecht des Bundesvorstands der Piratenpartei von der Piratenpartei eine E-PetitionEine Petition wird im Petitionsausschuss des Bundestags öffentlich beraten, wenn innerhalb einer vierwöchigen Zeichnungsfrist mindestens 50.000 Unterstützer diese Petition mit zeichnen. in den Petitionsausschuss des Bundestages eingereicht, in der die ersatzlose Streichung des Gesetzentwurfs gefordert wird.

Das kann man – höflich formuliert – als nicht sehr geschickt bezeichnen.
Denn ungeachtet der Sache schwingen immer auch gewisse Befindlichkeiten bei einer Unterstützung mit. In den Bündnissen, die sich gegen ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger zusammen gefunden haben, sitzen viele Menschen, die den Piraten nicht unbedingt nahe stehen. Eine Petition mit zu zeichnen, die von den Piraten eingereicht wurde, gleicht daher vielfach dem sprichwörtlichen Sprung über den eigenen SchattenMan hätte nicht unbedingt Gehirnchirurg sein müssen um das vorher sehen zu können.. Eine im Wortlaut identische Petition hätte, eingereicht vom IGEL gewiss in kurzer Zeit die geforderten 50.000 Unterstützer gefunden.

Die Piraten können diese Erfahrung wohl zumindest als Lehrstück abbuchen. In einer fernen Zukunft, in der Piraten 30% der Sitze im Bundestag besetzen, könnte ein solcher Alleingang Erfolg haben – wäre dann aber wohl kaum mehr notwendig. Im Moment wären sie jedoch gut beraten, wo immer möglich Allianzen zur Erreichung ihrer Ziele einzugehen.

Was sollte ich tun?

Die Einführung eines Leistungsschutzrechtes für Presseverlage gefährdet die Meinungsvielfalt, da der leichte Zugang zu dieser Meinungsvielfalt eingeschränkt wird. Außerdem gefährdet es besonders kleinere Verlage, denen einbrechende Besucherzahlen die ihre Seite über Suchmaschinen finden erheblich schaden könnten.
Es würde mich nicht wundern, wenn der Axel Springer VerlagU.a. Herausgeber des Blattes „BILD“ kurz nach in Kraft treten des Gesetzes generös verkündet, er hätte sich mit Google und weiteren Suchmaschinenanbietern auf eine nicht näher spezifizierte Regelung geeinigt, das LSR würde nicht durchgesetzt. Die Gefährdung anderer Verlagshäuser würde dabei vermutlich zumindest billigend in Kauf genommen.

Ich empfehle die Mitzeichnung der Petition, da ich ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage aus oben genannten Gründen ablehne. Und Du solltest das auch tun.

Für Leute die den Sprung über den eigenen Schatten wagen wollen besteht noch bis zum 10. Oktober die Möglichkeit, die Petition gegen das Leistungsschutzrecht mit zu zeichnen. Keine Angst, es geht auch ohne die Veröffentlichung des eigenen Namens.

Weitere Links zur geplanten Gesetzesänderung

Veröffentlicht in Allgemeines Ansichtssache Internet

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