Mitte Oktober bin ich auf die 5. Nacht des Wissens aufmerksam geworden, die am 2. November hier in Hamburg stattfinden soll. Vor einigen Jahren habe ich bereits eine Nacht des Wissens genossen und fing sofort an, mir einen Besichtigungsplan zusammen zu stellen. Bei meiner Recherche stieß ich auf diesen Tweet:
Noch bis Montag könnt ihr euch anmelden zu unserem @ScienceTweetup mit @weltderphysik @EuropeanXFEL und @helmholtz_de http://t.co/MpvxkaqP3d
— DESY (@desynews_de) October 11, 2013
Als ich noch ein Kind war, übte das Desy-Forschungszentrum schon einen besonderen Reiz auf mich aus – mein Nachbar arbeitete damals beim Desy und alles was ich davon mitbekam war spannend und mysteriös. Damals konnte ich zwar noch nicht so recht verstehen, was er dort machte – meiner Faszination tat das aber keinen Abbruch. Auch später sollte die Faszination nicht nachlassen – auch wenn sich, dank meines Studiums, ein beachtlicher Teil des Mysteriums auflöste – oder vielmehr neuen Mysterien wich…
Etwas Glück führte schließlich dazu, dass ich nach einer ziemlich regenreichen Fahrradfahrt durch den hamburgischen Regen am Haupteingang des Desy-Forschungszentrums auf etliche andere Netzmenschen traf.
Das recht sportliche Programm begann mit einer freundlichen Begrüßung durch den Herrn Direktor Dosch bei Kaffee und Gebäck. Vom Herrn Direktor erfuhren wir, dass der Desy-Grundhaushalt etwa 180 Mio Euro beträgt (was umgerechnet nicht einmal einer viertel Elbphilharmonie entspricht), wobei die Einrichtung neuer Experimente wie aktuell dem FLASH oder dem XFEL natürlich erhebliche Extrakosten verursachen würden.
Der erste „richtige“ Programmpunkt war dann der Besuch im Tunnel des European XFEL, einem Elektronenlaser, der besonders helle, kurzwellige Röntgenblitze erzeugen soll. Je kürzer die Wellenlänge des Röntgenlichtes ist, desto höher ist auch die Energie, die jedes Lichtquant besitzt. Und je kürzer die Wellenlängen des Laserlichts sind, desto kleiner Strukturen lassen sich damit untersuchen, denn die Größe der gerade noch untersuchbaren Strukturen liegt etwa im Bereich der Wellenlänge. Große Energien ermöglichen kleine Wellenlängen und diese ermöglichen wiederum die Untersuchung besonders kleiner Strukturen.
Verrückt.
Weiter geht es in den Beschleunigerring Petra 3. Um den Beschleuniger betreten zu können, müssen wir zuerst eine gelbe Strahlenschutztür passieren. Die Tür selbst schützt allerdings gar nicht vor Strahlung, das machen die dicken Betonwände, die Tür stellt nur sicher, dass niemand während des Betriebs in den Beschleunigerring gelangt. Bevor der Beschleuniger in Betrieb geht, wird der Tunnel von einem Suchtrupp abgesucht um schlafende oder verletzte Arbeiter zu finden. Der Suchtrupp schließt hinter sich die Interlock-Türen. Sobald der Suchtrupp den Tunnel freigegeben hat gibt es ein Alarmsignal im Tunnel. Wer übersehen wurde, kann den Start des Beschleunigers durch Druck auf einen Not-Aus-Schalter stoppen.
Wer während des Betriebs übrigens eine Interlock-Tür öffnet, löst im Beschleuniger eine Vollbremsung aus und macht sich gleichzeitig ganz schön unbeliebt. Verglichen mit einem Auto wäre die Vollbremsung etwa so, als würde man gleichzeitig die Reifen eines Autos wegsprengen und den Motor nach oben aus dem Wagen schleudern. Im Zweifel entsteht dabei ein ziemlicher großer Schaden an der Anlage – aber das Auto steht ziemlich bald still.
Um aus dem Elektronenstrahl eine Röntgenquelle zu erzeugen, wird der Strahl durch sogenannte Undulatoren geschickt. Das sind Vorrichtungen, die spezielle Magnetfelder erzeugen. Die Magnetfelder sind in kurzen Abständen hintereinander abwechselnd nach oben und nach unten ausgerichtet. Die geladenen Teilchen werden beim Flug durch jedes Magnetfeld seitlich abgelenkt, abwechselnd nach rechts oder nach links. Beim Flug durch den Undulator vollzieht das Teilchen also eine Schlingerbewegung. Bei jedem Richtungswechsel strahlt das Teilchen Energie in Form eines Lichtquants ab. Je nach Geschwindigkeit des Teilchens haben die Lichtquanten eine höhere Energie. Bei sichtbarem Licht entscheidet die Energie über die Farbe des Lichts. Röntgenstrahlen sind Lichtstrahlen mit sehr hohen Energien, sie liegen weit außerhalb des für Menschen wahrnehmbaren Lichtspektrums.
Es ist zwar schon ziemlich faszinierend, dass man so einen Elektronenstrahl erzeugen und im Kreis herumfliegen lassen kann, aber einen wirklich überzeugenden Grund, wozu wir diese ganze Forschung denn gebrauchen könnten, gab es heute noch nicht.
Jetzt aber!
In Undulatoren lassen sich kohärente, polarisierte Röntgenstrahlen erzeugen, die sich ideal für Materialuntersuchungen eignen. Die Forscher untersuchen damit kleine Teilchen, zum Beispiel Proteine – Also Moleküle, die verschiedenste Funktionen in den Zellen haben. Wenn die Forscher wissen, wie ein Protein zusammengebaut ist, können sie damit auch eine Menge über sein Verhalten aussagen, häufig sogar, wie das Protein auf bestimmte andere Stoffe reagiert. Das ist eine der Anwendungen für verschiedene Experimente beim Desy. Beim XFEL werden dazu Proteine kristallisiert und in den Strahlengang gestellt. Kristallisierte Proteine sind regelmäßig aufgebaut. Dafür benötigen die Forscher viele identische Proteine, die alle in die gleiche Richtung und in gleichmäßigem Abstand nebeneinander ausgerichtet werden. Die Untersuchung kann nun indirekt an den charakteristischen Beugungsmustern erfolgen, die durch den Protein-Kristall mit dem Röntgenlicht erzeugt werden. So können beispielsweise Krankheitserreger untersucht werden und die Suche nach einem geeigneten Medikament fällt erheblich leichter, weil die Forscher wissen, welche Struktur ein Wirkstoff haben muss, um ein Protein in einem Krankheitserreger zu deaktivieren.
Der Blick in die FLASH-Halle gleicht einem Wimmel-Bild. Hier wird an einem extrem schnellen Röntgenlaser gearbeitet, der extrem kurze Röntgen-Lichtblitze erzeugen kann.
Schnell bedeutet nicht, dass das Röntgenlicht schneller wäre, nur die Belichtungszeiten sind extrem kurz. Die Wissenschaftler können so Hochgeschwindigkeitsaufnahmen von Reaktionen in Proteinen anfertigen. Bisher war man aufgrund der zeitlichen Auflösung von Röntgenlasern nur in der Lage zu schauen, was vor der Reaktion da war, und wie die Probe nach der Reaktion aussah. Mit einem Fußballspiel verglichen war man also bisher nur in der Lage die aufgestellten Spieler zu betrachten und – das Spielergebnis. Mit dem FLASH-Laser können die Forscher nun aber das ganze Spiel beobachten und daraus neue Erkenntnisse gewinnen.
Weitere Inhalte:
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