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Elektromobilität ausgebremst

Der BMW i3 an einer Ladestation des Stromnetz-Hamburg.
Der BMW i3

Bisher war ich in Hamburg meistens mit dem Rad oder mit den Öffentlichen unterwegs, seit einiger Zeit gelegentlich auch mal mit Carsharing von car2go. Vor einigen Tagen habe ich mir nun endlich auch ein Kundenkonto bei der etwas teureren Konkurrenz von DriveNow zugelegt. Die haben nämlich auch „Stromer“ im Angebot. Es ist der BMW i3 – den ich übrigens noch hässlicher finde als den neuen Smart der bei car2go zumeist zum Einsatz kommt.

tl;dr

Die Vor- und Nachteile des i3 in aller Kürze

  • Eine Reichweite von gerade einmal 120km
  • Ein schlecht durchdachter Innenraum
  •  Fehlender Geschwindigkeitsbegrenzer
  • + Tolle Beschleunigung

Einen Stromer fahren zu können war für mich das ausschlaggebende Argument für die Anmeldung. Technik und so. Da stehe ich halt drauf. Wenn ich es mir leisten könnte, hätte ich mich längst für den Kauf eines Teslas angestellt. Tesla bildet für mich daher auch den Vergleichsmaßstab.

Was der i3 so kann

Der Ladezustand des i3 wird in der DriveNow-App angezeigt. Bei 62% Ladung soll das Auto gerade einmal 59km weit fahren.
Die DriveNow-App zeigt 59km Reichweite bei 62% Ladung an

Mein erster Eindruck vom Fahrgefühl im i3 war überzeugend. Die Beschleunigung ist wirklich enorm. Und bei ruhiger Fahrweise ist der Verbrauch dennoch moderat. So funktioniert die Bremse zum Beispiel im Wesentlichen als Strom-Rückgewinnung. Wichtig für längere Fahrten auf der Autobahn ist für mich ein Tempomat. Den hat der i3. Blöderweise eignet sich seine Batterie aber nicht ernsthaft für längere Fahrten. BMW gibt die Rechweite mit 190km an, realistisch kommt man aber wohl nur bei wirklich ruhiger Fahrweise auf ca. 120km. Und das ist schon großzügig geschätzt wie man im Bild erkennt. Na gut, für den Weg zur Arbeit sollte das genügen. Auch 2 oder 3 mal. Aber selbst mit dem Topmodell kommt man laut BMW nur 330km bzw. realistisch vielleicht 240km weit. Das Model 3 von Tesla schafft 345km bereits in der Grundausstattung.

Geschenkt. Da könnte BMW ja noch etwas in die Entwicklung investieren…
Für den Stadtverkehr finde ich einen Geschwindigkeitsbegrenzer wesentlich wichtiger, gerade bei einem Auto das so stark beschleunigt. Ich war beim ersten Anfahren viel zu schnell da ich den Antrieb völlig unterschätzte. Ein Begrenzer fehlt jedoch im i3. Auf den ersten Blick scheint er auch nicht als Sonderausstattung erhältlich zu sein. Der Listenpreis für den i3 beginnt bei knapp 35.000 Euro. Damit ist er nur unwesentlich teurer als das Tesla Model 3 in der Grundausstattung, das es für knapp 33.000 US$ geben soll. Dafür ist der BMW i3 aber auch ohne größere Wartezeit erhältlich.

Mein Plan war es, nach Fahrtende eine Ladesäule anzufahren und mich ins Café zu setzen. Es gibt scheinbar auch eine ganze Menge Ladestationen in Hamburg (Laut Stromnetz-Hamburg  derzeit 147 Ladesäulen, was auch zu stimmen scheint). Vermutlich fallen die mir im Alltag nur deswegen nicht so auf, weil ich sie ja gar nicht benötige. Zum Glück kennt das Navi die Ladesäulen. In der Praxis musste ich aber feststellen, dass die ersten beiden Säulen zugeparkt waren – von Benzinern. Die 3. und 4. Säule gab es noch gar nicht – aber immerhin schon Baustellen die für die Zukunft hoffen lassen. Dass das Navi des i3 das nicht berücksichtigt ist enttäuschend. Bei der 5. Säule hatte ich endlich Glück.

Wieso ist es in einer Großstadt in Deutschland heute eigentlich noch ein Problem, eine Ladestation zu finden?! Gab es nicht neulich die Idee, Steuergelder in die Elektromobilität zu investieren? Es sollten Zuschüsse zu Stromern gezahlt werden! Verrückt. Vermutlich ein Vorschlag der Öl-Industrue. Man hätte das Geld ja auch in die Infrastruktur investieren können und die Städte und Autobahnen flächendeckend mit Ladesäulen ausstatten können. Und vielleicht nicht immer nur zwei Ladepunkte je Säule sondern, so wie an einer großen Tankstelle, gleich 12 oder mehr Zapfanlagen. Selbst auf der Tankstelle muss man ja manchmal etwas warten. Und das Laden eines Stromers dauert halt schon so eine halbe Stunde – wenn es technisch vernünftig gelöst ist. An Ladepunkten des Stromnetz-Hamburg dauert es mehrere Stunden, da sie in der Regel nur 22kW, manchmal sogar nur 11kW liefern. Zum Vergleich: Der Supercharger von Tesla liefert 120kW, damit lässt sich eine 70kWh Batterie in 40 Minuten auf 75% aufladen.

Von Tesla kommt die Idee, Ladestationen auch von Firmen finanzieren zu lassen, die den Strom günstig per Photovoltaik selbst erzeugen können. Im Gegenzug parken dann bei ihnen vor der Tür ständig Leute mit teuren Autos, die jeweils mindestens eine halbe Stunde Zeit totschlagen müssen. Zeit in der man den Einkauf erledigen kann oder einen Kaffee trinken gehen kann. Eine echte Win-Win-Situation.

Erlebnisse beim Laden

Wird der Ladevorgang gestartet, so beginnt das Licht am Anschluss blau zu blinken. Beim ersten Versuch hatte es nicht geklappt. Erst Wackeln am Stecker half...
Das Ladekabel des i3.

Aber wie lädt man eigentlich so einen Stromer? Der Bordcomputer bietet zum Glück eine Anleitung:
Mit einem RFID-Chip in einer separaten Kundenkarte wird die Säule entsperrt und das Ladekabel kann angeschlossen werden. Auf der Seite des Fahrzeugs wird das Kabel dort angeschlossen, wo Benziner betankt werden. Der i3 bestätigt den Ladevorgang durch ein blau blinkendes Licht.

Zum Entsperren der Ladestation benötigt man ein weiteres Token. Alternativ geht es auch per SMS.
Entsperren der Ladestation.

Wieso ein standardisierter RFID-Chip nicht einfach in das Ladekabel integriert ist erschließt sich mir nicht. Und ehrlich gesagt ärgert mich das auch – denn so ist der Ladevorgang noch einmal komplizierter.

Bei den DriveNow-Fahrzeugen ist das Kabel mit einem Drahtseil am Auto gegen das Vergessen gesichert. Beim Losfahren ohne vorherige Trennung des Kabels von der Säule ginge sicherlich irgendetwas kaputt. Der Schaden dürfte weit höher ausfallen als der Preis für ein neues Kabel. Aber so denkt man vielleicht doch eher noch daran.

Das Anschließen des Kabels am Auto war bei mir nicht ohne Weiteres möglich. Beim ersten Versuch blinkte der Anschluss zwar – allerdings nicht blau. Das hielt ich fälschlicherweise für eine Bestätigung. Der abschließende Blick auf die Ladesäule zeigte aber den Fehler.

Die erneute Anmietung des Fahrzeuges um die Kundenkarte zum Laden aus dem Inneren des Fahrzeugs zu entnehmen wurde mir von DriveNow immerhin ersetzt.

Bei meiner ersten Fahrt mit einem i3, vor einigen Wochen, saß ich auf der Rückbank. Ich wurde von Freunden abgeholt. Damit ich die Tür für die Rücksitze öffnen konnte, musste der Beifahrer sich abschnallen und seine Tür öffnen, weil sein Gurt an der hinteren Tür montiert ist. Da hat sich sicherlich irgendjemand etwas bei gedacht. An den Komfort der Nutzer hat er dabei aber nicht gedacht.

Fazit

Der i3 ist eine Studie die es auf die Straße geschafft hat, mit der BMW zeigen wollte, dass sie bei BMW auch Stromer können. Können sie. So ein bisschen. Vermutlich hatten sie dabei viel Beratung durch Ölkonzerne. Batterien können sie bei BMW aber nicht. Und das ist nun mal das Herzstück eines Stromers. Manches am i3 ist leider so schlecht gelöst, dass ich mir auch dann keinen i3 kaufen würde wenn ich ihn mir locker leisten könnte und es Tesla nicht gäbe.

Traurig ist, dass BMW scheinbar Klassenbester in Deutschland ist, was Stromer angeht. Dabei scheinen seit kurzem auch andere deutsche Autobauer Interesse an Stromern zu haben. VW hatte das ja großspurig angekündigt. Zwei Probleme bleiben aber bisher ungeklärt:

  1. Wer baut die benötigten Batterien mit den entsprechend hohen Kapazitäten?
  2. Und wie lässt sich das Problem mit den fehlenden Ladepunkten lösen?

Nachtrag 23.5.2017:

Nachdem ich nun mehrfach mit dem i3 unterwegs war habe ich festgestellt, dass BMW als Ergänzung zum Tempomat auch einen Spurhalteassistenten sowie einen Abstandsassistenten anbietet. In Kombination mit dem Tempomat kann man also im Stadtverkehr bequem eine Wunschgeschwindigkeit einstellen. Das Auto kümmert sich dann selbstständig um Beschleunigung, Sicherheitsabstand, Bremsen hinter haltenden Autos und das Halten der Fahrspur. Ob das System auch Ampeln, Stoppschilder und Fußgänger erkennt konnte ich auf der kurzen Strecke nicht testen.
Abbiegen und Anfahren muss man dennoch selbst, und nach der Ampel muss auch der Tempomat jedesmal wieder reaktiviert werden. Für die Sicherheit im Straßenverkehr muss man auch noch selbst sorgen.

Nach eigenen Angaben stellt das Stromnetz Hamburg derzeit auch bereits Schnellladestationen bereit. Außerdem tut sich derzeit einiges beim Stromnetz Hamburg. Bis 2019 will Hamburg 1150 Ladepunkte (das sind 575 Ladesäulen) installieren und dadurch 1,5 Ladepunke pro km^2 anbieten. Das ist doch ein Anfang. Zum Vergleich: in Koppenhagen sind es 7 Ladepunkte pro km^2.

Veröffentlicht in Hamburg Nerd

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